Chess4Solidarity - The Missing Player im Deutschen Bundestag

Bernhard Riess
v.r.n.l.: Lior Aizenberg, Sofia Polgár, Judit Polgár und Paul Meyer-Dunker

Ein emotionaler Abend mit einer Botschaft der Solidarität

Am 14.03. führten wir ein etwas anderes Schachevent an einem besonderen Ort durch. Im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages, wo normalerweise die Ausschusssitzungen stattfinden, kamen wir auf Einladung der Bundestagsabgeordneten Marlene Schönberger zusammen. Anlass der Veranstaltung war der Wunsch, das Schicksal der bis heute in Gefangenschaft befindlichen über 130 Geiseln in Erinnerung zu rufen und uns solidarisch mit unseren jüdischen und israelischen Schachfreundinnen und Schachfreunden zu zeigen. Mit Makkabi Berlin haben wir einen Verein mit einer Schachabteilung in Berlin, die sich nach dem Angriff des 7. Oktober gezwungen sah, die Teilnahme die Mannschaftskämpfe des folgenden Wochenendes abzusagen, weil die Sicherheit für den jüdischen Sport auch in Deutschland zu diesem Zeitpunkt infrage stand. Auch deswegen war uns diese Veranstaltung ein wichtiges Anliegen.

Begrüßt wurden wir von unserer gastgebenden Bundestagsabgeordneten Marlene Schönbeger, die mit ihrer Einladung diese Veranstaltung erst möglich gemacht hat. Sie ordnete in Ihrer Rede den Anlass der Veranstaltung ein. Sie beschrieb, wie die schrecklichen Angriffe des 7. Oktober das Sicherheitsversprechen des israelischen Staates für Jüdinnen und Juden infrage gestellt haben, wie Jüdinnen und Juden auch in Deutschland zu oft erleben müssen, wie Antisemitismus abgewiegelt wird und der Kampf gegen Antisemitismus gesellschaftlich leider nicht in dem Maße geführt wird, wie es nötig wäre und dass bis heute, seit über 150 Tagen, über 130 Menschen sich als Geiseln in Gefangenschaft der Hamas befinden.

Ein kurzes Grußwort hielt ebenfalls Rebekka Schuster von der die Veranstaltung unterstützenden Emmanuel-Lasker-Gesellschaft. Sie betonte die Rolle, die der Schachsport dabei spielen kann, transnationale Brücken zu bauen, Menschen zusammenzuführen und dass die ELG gerne den wichtigen Anlass dieses Abends unterstütze, weil es schrecklich ist wie viele Geiseln sich bis heute in Gefangenschaft befinden.

Auf unserem anschließenden Podium durften wir Aaron Sagui, den Gesandten der Israelischen Botschaft, Ingrid Lauterbach, die Präsidentin des Deutschen Schachbundes und Lior Aizenberg, Gründer und CEO von "Chess4All" und Initiator der "Chess4Solidarity" Initiative, begrüßen.

Aaron Sagui zeigte sich dankbar, dass fast 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer dem Aufruf zur Teilnahme an der Veranstaltung gefolgt waren. Er betonte die verbindende Rolle des Sportes, der Verständnis schaffen und einander näher bringen kann, sowie die wichtige Rolle der guten deutsch-israelischen Beziehungen, dir vor einigen Dutzend Jahren für viele unvorstellbar gewesen wären. Er äußerte die Hoffnung und den Wunsch, dass die Geiseln bald frei kommen, damit der Krieg ein Ende finden kann, denn eigentlich möchten alle in Frieden leben.

Lior Aizenberg berichtete über seine Erfahrungen bei der Ausrichtung transnationaler Turniere, wie israelische Schachspielerinnen und Schachspieler sowie Schachspielerinnen und Spieler aus arabischen Nationen zusammenkamen, gemeinsam gespielt haben und mit dem Schach andauernde Verbindungen über Grenzen hinweg geschaffen wurden. Er konnte aber auch persönlich davon berichten, wie er selbst bei vergangenen Meisterschaften diskriminiert wurde. Er und sieben weitere israelische Spielerinnen und Spieler wollten an der FIDE-Meisterschaft Schnellschach- und Blitz-WM in Saudi-Arabien teilnehmen. Sie hatten die Hoffnung ein Zeichen der Verständigung zu setzen. Leider wurde die Teilnahme aber von den Gastgebern nicht ermöglicht.

Ingrid Lauterbach äußerte sich an dieser Stelle klar, dass sie die FIDE in der Pflicht sieht, bei Meisterschaften die Teilnahme von israelischen Schachspielerinnen und Schachspielern zu ermöglichen und auch bei Boykotten durch die Verweigerung des Partieantrittes gegen Israelis einzugreifen. Sie äußerte ihr Unverständnis warum, die Fide nicht dem Vorbild anderer Sportverbände folgt und den verursachenden Verband sanktioniert.
Sie wies darauf hin, dass beispielsweise die iranischen Sportlerinnen und Sportler auch Opfer ihres Regimes sind, da sie gezwungen werden diese Boykottvorgaben zu befolgen. Sonst müssen sie und ihre Familien mit erheblichen Konsequenzen rechnen.
Zudem unterstrich sie, dass die Schachwelt mehr gegen Antisemitismus tun muss, aber Sie aus ihrer jahrelangen auch internationalen Erfahrung als Spielerin in der Schachwelt weiß, dass das Engagement nicht nur gegen Antisemitismus, sondern auch gegen andere Diskriminierungsformen in der Schachwelt erheblich verstärkt werden muss.

Fotos wenn nicht anders angegeben: Frank Hoppe

Zum Abschluss hatten wir noch Vertreterinnen und Vertreter des Hostages and Missing Families Forum zu Gast, die in sehr persönlichen Beiträgen über die teilweise bis heute währenden Gefangenschaften ihres Vaters, von Geschwistern und das Leben im Grenzgebiet zu Gaza berichtet haben. Diese Berichte über die schrecklichen Schicksale und Erlebnisse waren bedrückend, beeindruckend und haben viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer emotional berührt und wir sind dankbar, dass diese Erfahrungen mit uns geteilt wurden.

Dann war es aber schließlich Zeit für den schachlichen Teil der Veranstaltung. Judit und Sofia Polgár hielten kurze Ansprachen. Judit rief die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu kritischem, aktiven Denken nicht nur auf dem Brett auf und erläuterte kurz einige Punkte der Simultanetikette. Sofia verwies auf ihren Lebensmittelpunkt in der Nähe von Tel Aviv in Israel und äußerte ihre Freude über die Veranstaltung und die Solidarität und betonte, dass dies alles eine sehr emotionale Veranstaltung für Sie ist.

Gespielt wurde an 40 Brettern, Judit und Sofia übernahmen jeweils 20 Bretter und es sollte über drei Stunden dauern, bis die letzten Partien entschieden waren. An den Brettern selbst trat eine bunte Mischung gegen die beiden an. Während viele Spielerinnen aus Berlin kamen, hatten einige weite Wege, teils sogar bis aus Stuttgart, auf sich genommen, um die Chance zu nutzen gegen Judit und Sofia Polgár anzutreten. Während wir den Top 3 aus den Altersklassen der gerade erst zu Ende gegangenen Mädchenmeisterschaften jeweils Plätze zugesagt hatten, wurden die restlichen Plätze nach dem Prinzip first come first serve vergeben, sodass auch viele bekannte Gesichter der Berliner Schachszene Platz nahmen. U.a. waren die unser Vizepräsident Bernhard Riess, Schachboxweltmeisterin Alina Rath, DSB-Webmaster und Öff-Arbeiter Frank Hoppe.

Am Ende des Tages sollten immerhin vier der 40 verfügbaren Punkte in Berlin verbleiben. Zwei Siege gelangen gegen Sofia Polgár und von vier halben Punkte wurde einer sogar gegen Judit Polgár errungen. Ein insgesamt schachlich schöner Abschluss einer gelungenen Veranstaltung.

Ich möchte mich ganz herzlich bei allen bedanken, die dieses Event erst möglich gemacht haben. Marlene Schönberger und ihr Büro, die uns unermüdlich unterstützt haben und auch kurzfristige Anmeldungen noch durch die Sicherheitsschleusen des Bundestages bekommen haben. Unser israelischer Schachfreund Lior Aizenberg, der die Idee für ein solches Event hatte und den Mut hatte, auf uns zuzukommen, den Stein erst ins Rollen gebracht und mit mir zusammen die Veranstaltung organisiert hat. Bernhard Riess, der mich wie immer großartig unterstützt hat und viele kurzfristige Probleme mit seiner üblichen Hands-on-Mentalität aus dem Weg geräumt hat. Ralf Ettel, der, obwohl die Veranstaltung am Ende kaum 1,5 Wochen Vorlauf hatte, das umfangreiche Material organisiert, transportiert und den Bundestag bekommen hat. Die Emmanuel-Lasker-Gesellschaft, die das Event mit ihrer finanziellen Unterstützung erst ermöglicht hat. Und last but not least Judit und Sofia Polgár, die vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit ihrer Teilnahme einen unvergesslichen Abend beschert haben!

Bearbeiter: Paul Meyer-Dunker | | Archiv: BSV - Nachrichten | ID: 22617

Kategorie: Präsidium

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