Erinnerungen an Matthias Hahlbohm

Matthias Halbohm als Berliner Seniorenmeister 2018
Frank Hoppe
Matthias Halbohm als Berliner Seniorenmeister 2018

Unsere Meldung vom 10. Januar über den Tod des Berliner Schachoriginals Matthias Hahlbohm sorgte für Bestürzung und traurige Reaktionen. Besonders intensive Erinnerungen hat Rüdiger Schüttig, der mit Matthias jahrzehntelang zahllose Blitzpartien spielte:

Rüdiger Schüttig über "Rudi"

Ich mochte Rudi so wie er war mit all seinen Stärken und Schwächen – eben als ein echtes Original.

Rudi lernte ich Anfang der achtziger Jahre im Zug Richtung Salzwedel kennen, denn damals fanden in der Weihnachtszeit dort für DDR-Verhältnisse lukrative Blitzturniere statt. Auf Grund lokaler Spender konnte jeder Spieler einen Sachpreis mit nach Hause nehmen, auch wenn es nur ein Baumkuchen war. Wir blitzten und als ich ihn auf Sächsisch zu seiner Zeitüberschreitung informierte, hatte ich zeitlebens bei ihm meinen Spitznamen weg: „Blättel“.
Man sah sich auch bei anderen Blitzturnieren wieder und deshalb lud ich ihn und seinen damaligen Leberspezi Rolf Horn 1985 auch zu meinem ersten Marathonblitzturnier nach Dresden ein. Er blitzte damals noch recht ordentlich und platzierte sich sogar vor Zsofia Polgar. Interessant für ihn war neben dem Blitzschach immer auch das Biertrinken und wo konnte man sonst in der DDR diesen beiden Leidenschaften 24 Stunden lang ununterbrochen frönen? In Westberlin gab es für sowas das Cafe Belmont. Dort traf ich ihn dann folgerichtig nach der Maueröffnung zu mancher Blitzschach-Biernacht. Er erwartete von mir inzwischen eine Zeitvorgabe, jedoch lehrte sich sein Geldbeutel trotzdem. Es machte ihm nichts aus, denn schließlich würde er im Spielkasino den großen Reibach machen – erzählte er.

Rudi agierte am Brett stets unkonventionell und mit taktischer Raffinesse. Das musste sogar GM Sergej Kalinitschew in einer ernsten Partie in Potsdam einmal schmerzlich erfahren. Die Potsdamer Neuesten Nachrichten schrieben am 30.12.2010 dazu:

Großmeister unterlag

In der 4. Runde des Weihnachts-Schachturniers war es gestern soweit: Überraschenderweise unterlag der Großmeister Sergej Kalinitschew (SC Kreuzberg) dem Berliner Matthias Hahlbohm (TSG Oberschöneweide). Kalinitschew opferte einen Turm gegen eine Leichtfigur und einige Bauern und hatte aussichtsreiches Spiel dafür. Mit der Zeit verlor er dann den Faden und musste dem Oberschöneweider zum Sieg gratulieren.

Ob sich Sergej wohl noch daran erinnert?

Unkonventionell wie seine Partieanlage waren auch seine späteren Getränkemischungen mit Wein aus dem Tetra-Pak. Zuletzt stieg er auf Pfeffi um und verdünnte diesen mit Bier. Das konnte auf die Dauer aber nicht gut gehen…

Ein Wettkampf mit ihm ist mir in besonderer Erinnerung geblieben. Es war 1994/95 in meiner ersten Saison bei der TSG in der Landesliga zu Hause gegen Schwarz-Weiß Neukölln und es sollte in diesem Jahr für uns endlich mit der Oberliga klappen, aber Schwarz-Weiß, die sich u.a. mit IM Heinz Lehmann und IM Panagiotis Cladouras verstärkt hatten, wollten auch aufsteigen und sie lagen in der Tabelle vor uns, so dass im direkten Vergleich ein Sieg her musste. Entsprechend übermotiviert war ich und zog mit weiß gegen Jürgen Brustkern den Kürzeren. Rosi (FM Dirk Rosenthal) hatte auch bereits verloren und zu den Remisen von IM Reinhart Fuchs, Matzel (Matthias Schöwel) und Tino Dzubasz gab es nur zwei Siege für uns durch Rene Marquardt und Detlev Kuhne, so dass es 3,5:3,5 stand. Es lief nur noch Rudis Partie, der gegen FM Adolf Delander mit Schwarz eine schwierige, aber noch spielbare Stellung verwaltete. Rudi stellte seinem ehrwürdigen Gegner immer neue Probleme und Adolf, der damals schon über sechzig war, musste grübeln. Schließlich verlor er den Faden, Rudi kämpfte ihn nieder, die TSG gewann und spielte danach erstmals in der Oberliga. Rudi hatte mich mit seinem Sieg rausgehauen und ich war ihm dafür ewig dankbar.

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B2128.12.2010

"Rudi" gewann sogar zweimal gegen GM Kalinitschew!

Rüdiger Schüttig erwähnte den Sieg von Matthias Hahlbohm gegen GM Sergej Kalinitschew 2010 in Potsdam. Doch bereits fünf Jahre zuvor besiegte "Rudi" den Großmeister!

Die Beisetzung von Matthias Hahlbohm ist am Donnerstag, dem 11.02.2021 um 14 Uhr auf dem Domfriedhof St. Hedwig in der Liesenstr. 8. (20 Personen maximal erlaubt). Siehe auch die Meldung bei TSG Oberschöneweide.

Falls jemand noch zu Matthias Halbohm etwas nachtragen möchte, so schreibe er/sie an . Ich veröffentliche den Text umgehend unter dieser Meldung, da Kommentare nicht mehr erlaubt sind auf dieser Seite.

Frank Hoppe

Bearbeiter: Frank Hoppe | | Archiv: BSV - Nachrichten | ID: 12663

Kategorie: Personalien

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