Ein neuer IM, drei Normen und siegreiche Großmeister - Normenturniere Abschlussbericht
GM-Turnier
Beim Blick aufs sportliche war es im GM-Turnier vor allem der junge Österreicher Lukas Dotzer, der für Aufsehen sorgte. Trotz seiner Auftaktniederlage war er der einzige Spieler, der Chancen auf eine Großmeisternorm hatte. Die Doppelrunden sieben und acht am Samstag nutze er jedenfalls, um sich in eine gute Lage für die Schlussrunde zu bringen. Gegen Emil Schmidek ließ er in Runde sieben mit einer furchtlosen Spielweise keine Zweifel aufkommen, dass er sich einiges vorgenommen hatte. Nachdem am Königsflügel bereits alle Bauern aufmarschiert wurden, opferte Lukas im 24. Zug auch noch positionell einen Springer.
Objektiv ist das noch ausgeglichen, in der Praxis hatte Lukas von hier an aber alles fest im Griff. In Runde acht hielt er dann mit Schwarz gegen den starken Großmeister Vitaly Sivuk souverän Remis, so dass ein Weißsieg in der letzten Runde gegen Marius Fromm zur GM-Norm gereicht hätte. Dieser hielt aber mit seiner französischen Verteidigung erfolgreich dagegen und beendete den Lauf des jungen Österreichers, der sich zum Abschluss geschlagen geben musste. Trotzdem reichte es zu Rang zwei und 15 Elopunkten, die er mit nach Österreich nimmt. Besonders beeindruckend, dass ihm das trotz einer Auftaktniederlage gelang. Sich so stark in einem so schwierigen Turnier zurück zu melden, gelingt nicht vielen!
Unsere Berliner Jungs haben auf dem Papier nicht gut abgeschnitten. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass viele Chancen ungenutzt blieben. Bestes Beispiel ist die Partie von Leonid Sawlin gegen Vitaly Sivuk. Gegen den Großmeister und Turniersieger hatte Leonid eigentlich die Probleme weitestgehend gelöst, eine Mehrfigur und eine hervorragende Stellung. Gegen die Freibauern am Königsflügel fand er aber dann nicht die richtigen Ideen und gab nicht nur den Vorteil, sondern dann sogar die ganze Partie her. Ungenutzte Chancen dieser Art gab es dann doch sehr viele, aber unsere Jungs konnten auf jedenfall eine Menge mitnehmen und werden gestärkt aus dieser Erfahrung gehen.
Vitaly Sivuk hat mit 6,5 Punkten und einen ganzen Punkt Vorsprung das Turnier souverän gewonnen. Mit der konstantesten Leistung über die gesamte Woche hinweg ohne eine einzige Niederlage, hat er am Ende verdient gewonnen!
IM-Turnier
Das IM-Turnier wurde lange Zeit von Johannes Florstedt dominiert. Mit 5,5 aus 6 gestartet, konnte nur Sebastian Poltorak mit ihm Schritt halten. In der achten Runde fehlte ihm ein halber Punkt zur IM-Norm und gegen Krzysztof Jakubowski war er kurz davor, den letzten halben Punkt eintüten zu können. In der Diagrammstellung führt Sd3 in allen Varianten zu Dauerschachs und einem Remis. Nach Sa4?? ist es allerdings ganz schnell aus. Könnt ihr sehen, warum?
Die Turniersituation meinte es aber gut mit Johannes. In der letzten Runde kam er gegen Sebastian Poltorak, der genau wie Johannes nur noch einen halben Punkt zur Norm brauchte. Wie er mir nach der Partie berichtete, fand Sebastian in der Datenbank Vorgängerpartien von Johannes, die bei korrektem Spiel zu forciertem Dauerschach führen würden. Da war die Vorbereitung für Sebastian mit Weiß natürlich schnell gewählt, nach 14 Zügen hatten beide die Norm sportlich fair eingetütet. Die Schaukel Dc3+ Ld2 Db2 Dc1 Dc3+ kann keine Seite vermeiden, ohne in Nachteil zu geraten.
Der Turniersieg wurde allerdings an einem anderen Brett entschieden. Während alle anderen Partien bereits beendet waren, verzögerte sich die Siegerehrung, weil Krzysztof Jakubowski gegen Drazen Muse ein Endspiel mit Turm und zwei Bauern gegen Springer und drei Bauern geduldig knetete. Im 78. Zug machte Krzysztof dann tatsächlich den entscheidenden Fortschritt und gewann einen von Drazens Bauern. Acht Züge später hatte er den ganzen Punkt und den Turniersieg in der Tasche.
Am Ende steht für Johannes Florstedt die zweite IM-Norm, Sebastian Poltorak erzielt seine dritte IM-Norm und wird weil er auch die Elohürde bereits übersprungen hat Internationaler Meister und Christian Kuhn erhält eine Norm für den Titel des Internationalen Schiedsrichters.
Beachtlich geschlagen haben sich Aron Moritz und Julian Nöldner, die jeweils mit einem netten kleinen Eloplus aus dem Turnier rausgegangen sind. Lara Schulze hat im Rahmen der Eloerwartung abgeschnitten, auch wenn sie sich sicher noch den einen oder anderen Punkt mehr erhofft hätte. Und für Julian Nöldner war es zwar ein hartes Turnier, aber gemessen daran, dass es sein erstes Turnier in einem solchen Feld war eine sportlich unfassbar wichtige Erfahrung und kein Ergebnis, für das man sich grämen braucht.
Insgesamt waren es sieben tolle Tage. Ich möchte mich persönlich und im Namen des Berliner Schachverbandes bei dem gesamten Team bedanken, dass daran mitgewirkt hat. Zuvorderst Michael Richter für seine großartige Unterstützung und Organisation bei der Zusammenstellung der Teilnehmerfelder sowie die schöne Verpflegung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Rainer Polzin, ohne dessen Unterstützung bei der Logistik und Unterbringung für viele Spieler wir uns insbesondere das GM-Turnier gar nicht hätten sinnvoll leisten können. Lothar Oettel als Hauptschiedsrichter sowie Eckart Stets und Christian Kuhn als stellvertretende Hauptschiedsrichter für die reibungslose Turnierdurchführung. Bernhard Riess und Kristina Berger für die zuverlässige Liveübertragung und Handhabung der DGT-Bretter. Und den Verein Mattnetz und Bernhard Riess für das zur Verfügung stellen der DGT-Bretter.
Für 2026 werden wir sicher wieder Normenturniere in Angriff nehmen und ich hoffe, dass sich nicht nur bei uns sondern auch generell mehr Möglichkeiten für die Teilnahme an solch starken Turnieren ergeben.
Alle Bilder am Brett von Christian Kuhn, Siegerehrungsbild von Eckart Stets
Kategorie: Turniere