Dritter Platz für Dirk Paulsen bei der DPEM 2017
Deutscher Pokal 2012-2017
Seit 2012 nehme ich nun regelmäßig am Berliner Pokal teil. Beim ersten Mal vielleicht noch mit etwas gemischten Gefühlen (so lange nicht dabei und wie soll man da durchkommen?), da jedoch die Qualifikation zum Deutschen Pokal gelang – im Finale gegen Utz Lachmann in Berlin, als ich bereits in der Eröffnung mit Weiß einen Bauern verlor, die Partie aber ins remis rettete und im Blitzentscheid mit 2:0 durchkam --, schrie das deutlich nach „nochmal, nochmal, nochmal“ (wie es einst die Teletubbies taten). Tatsächlich gelang mir diese Qualifikation in den folgenden Jahren bei fünf von sechs Teilnahmen. Wobei das eine Ausscheiden auf kuriose Art gegen Thorsten Groß 2015 im Viertelfinale passierte: ich hatte einen Gegenzug übersehen und gab spontan auf, weil meine Dame gefangen und verloren schien. Lange Zeit lebte ich auch in dieser Illusion weiter. War halt nix und so ein schlimmer und blöder Fehler in eigentlich guter Stellung. Etwa ein Jahr später zeigte mir Thorsten Groß die Vereinszeitung der Weißen Dame. Er hatte die Partie kommentiert. Nur zeigte er mir auch direkt diese finale Stellung, dort abgebildet. Er hätte die Partie eingegeben und sich gewundert, warum die Bewertung einfach nicht umspringen wollte zu seinem klaren Vorteil?! Der Grund wurde bald ersichtlich: die Stellung war glatt gewonnen für mich, sofern man den einzigen Zug findet, welcher allerdings schon den Charakter „Computerzug“ trägt. Wobei: bevor man aufgibt könnte man ja vielleicht doch?
Ein weiteres Mal hatte ich die folgende Form von Glück: im Halbfinale traf ich auf Drazen Muse. Die Turnierpartie endete nach wechselhaftem Verlauf remis. In der ersten Blitzpartie stand ich ziemlich klar überlegen, verwertete aber nicht und verlor noch. Wie auch immer die zweite verlief: ich war raus. Nun stand die Frage nach einer Partie um Platz 3 im Raum. In selbigem befanden sich in dem Moment Marko Perestjuk, Jens-Uwe Jaeschke, Drazen Muse und meine Wenigkeit. Jaeschke hatte das andere Halbfinale gegen Perestjuk gewonnen. Spiel um Platz 3? Ich fragte die beiden Finalisten kurz, ob sie denn nicht sicher ihre Qualifikation wahrnehmen würden? Die Antwort war im Prinzip klar: sie wollten. Marko war wohl ganz zufrieden, hatte aber auch nicht die Aufgabe, mich zu ermahnen.
Fakt ist, dass Drazen gar nicht fahren durfte, da er anscheinend schachlich als Kroate geführt wird. Da ich nun kampflos abgegeben hatte, war Marko erster Nachrücker. Das war natürlich dumm von mir, wobei eine Niederlage ja nicht auszuschließen gewesen wäre. Das Glück war mir hold, indem Jens-Uwe absagen musste. Somit waren die Finalisten BEIDE verhindert und die unterlegenen Halbfinalisten vertraten den BSV bei der Deutschen Pokalmeisterschaft 2015.
Das Finalturnier selbst ist insgesamt einfach eine tolle Veranstaltung, welche parallel zum Finale der Deutschen Schachamateurmeisterschaft ausgetragen wird. Das Amateurturnier hat sich etabliert (bereits die 18. Austragung in diesem Jahr) und „Finale“ bedeutet in dem Fall: es gibt über das Jahr verteilt sechs Qualifikationsturniere, bei welchem sich jeweils die besten sechs Spieler (die bis dahin noch nicht qualifiziert sind) für das Finale qualifizieren. Diese Turniere sind jedoch zusätzlich nach Elo-Kategorien unterteilt. Sprich: es gibt eine F-Gruppe, eine E-Gruppe und so weiter, bis hin zur A-Gruppe. F ist für Einsteiger bis 1300, dann geht es in 200er Schritten weiter, so dass in der A-Gruppe Spieler von 2100 bis 2300 zugelassen sind. Da sich je Gruppe und Vorturnier jeweils sechs Spieler qualifizieren, sind für das Finale also je Kategorie 36 Spieler berechtigt, welche sich auch fast immer in dieser Vielzahl einfinden (klar, es gibt auch mal die eine oder andere Absage). Von A bis F sind sechs Gruppen, 36 * 6 = 216. So sind also weitere 216 Spieler neben den 32 (dieses Jahr nur 28) Spielern in einem riesigen, aber sehr schönen Turniersaal untergebracht. In diesem Jahr waren es insgesamt 240 Spieler, so dass von sich wohl nur acht Absagen eingehandelt hat: vier für die Amateurmeisterschaften, vier für den Deutschen Pokal. Insgesamt spricht die hohe Zahl der Nutzung der Qualifikationsberechtigung für die Veranstaltung. Die vier Absagen beim Pokal etwas weniger für diesen? Nun ja, wie auch immer.
Dieses Jahr fand es es zum dritten Mal in Wiesbaden-Niedernhausen statt, in einem Ramada-Hotel (es hieß auch mal „Ramada-Cup“), aber die Ramada Hotelkette hat wohl den Besitzer gewechselt und sie läuft jetzt unter dem Namen H+ Hotels.
Das Hotel und die Spielbedingungen sind aber gleich geblieben, versteht sich. Man ist also gut untergebracht, bei weiterer Anreise, wie man Berlin-Wiesbaden schon ansehen könnte, empfiehlt sich ein Aufenthalt für vier Nächte, von Mittwoch bis Sonntag. Für diese Zeitdauer befindet man sich unter haufenweise Schachspielern und es ist durchgehend was los, wobei die Erholung, bevorzugt auf dem eigenen Zimmer, aber noch lange nicht zu kurz kommen muss.
Dabei trifft man alljährlich ein paar altbekannte Gesichter (denn: viele, die EIN Mal mitgemacht haben machen IMMER WIEDER mit; gilt für Pokal UND Amateurmeisterschaft, unter welchen etliche Jugendliche sind, aber auch 18% Mädchen/Damen am Start sind, was für Schach eine gigantische Quote ist), schließt aber gerne auch mal neue Bekanntschaften. Gerade beim so toll dargebotenen und angerichteten Frühstücksbüffet, wo man sich gerne auch mal über Stunden und nicht nur zum Frühstücken aufhält. Morgens um 10 Uhr findet die erste Runde statt, stets eingeleitet mit der einem dann in Fleisch und Blut übergehenden Hymne von „One night in Bangkok“, die zweite am Nachmittag um 16 Uhr. Geht alles perfekt auf, da die Bedenkzeit leicht verkürzt ist und das Mittagessen beispielsweise direkt vor dem Turniersaal angeboten wird, in verschiedenen Ausführungen, aber eben auch direkt dort einzunehmen, was die Räumlichkeiten hergeben. Gut machbar auch: man wählt sich sein Gericht aus, auch der Gegner tut dies, nach Beendigung der Partie, und man begibt sich in den großzügigen Analyseraum, wo man die Partie dann bei der gemeinsamen Mahlzeit durchgeht. Sogar ein kurzes Nickerchen ist meist noch drin. Beispiel: Partie ist um 14 Uhr beendet (selten später), Analyse und Essen zwischen 14 und 15 Uhr, eine Stunde Ruhe, das passt schon so.
Mir persönlich gelang bei den fünf Teilnahmen ein Turniersieg (Deutscher Pokalsieger 2014: Dirk Paulsen), was eine Qualifikation für die Deutsche Einzelmeisterschaft eintrug. Bei den anderen vier Teilnahmen (außer Wiesbaden 2014, 2015, 2017 für mich waren Halle in 2012 und Kassel in 2013 die Austragungsorte) belegte ich ebenfalls jeweils vordere Plätze. Erspielt habe ich vier Mal 4 aus 5 sowie ein Mal 4.5 aus 5 — bei meinem Pokalsieg, als im Finale gegen Ulf von Herman (ebenfalls Berlin) nach einem Remis in der ausgekämpften Pokalpartie ein Sieg im Blitzentscheid gelang. Das macht also in fünf Teilnahmen 20.5/25. Man könnte den Schluss ziehen: sobald ich außerhalb von Berlin spiele, kann ich ein etwas höheres Level spielen?! Jedenfalls waren die Leistungen sämtlichst genau in den Regionen von 2450, was für eine IM-Norm die erforderliche zu erspielende Zahl wäre (jedoch hier keine werden kann, aufgrund der mangelnden ausländischen Gegner sowie einem Mangel an Titelträgern in der Gegnerschaft). Dennoch: ein Richtwert, was drin sein könnte, bleibt es?
2012
Meine eigene Turnierhistorie dabei: im Jahre 2012 in Halle spielte ich im Viertelfinale gegen Vitalij Braun und verlor, ohne Chance (seine Elo damals: 2384). Braun gewann das Turnier, nachdem er im Halbfinale in einer dramatischen Partie den Favoriten Hagen Poetsch ausschalten konnte. Ich gewann die anderen vier Partien und landete auf Platz 3.
2013
2013 war Kassel der Austragungsort. In Runde 2 bekam ich es mit IM Sven Telljohann zu tun, mit den schwarzen Steinen. Zunächst bot er Remis, was ich ablehnte, aber ein paar Züge später gab die Stellung doch nichts mehr her. Remis und Blitzen. Telljohann ist ein ausgezeichneter Blitzspieler, was ihm hier zum Weiterkommen verhalf, obwohl ich in der ersten Partie eigentlich schon in Vorteil war. Sven Telljohann erreichte in diesem Jahr das Finale, indem er ALLE seine Duelle bis dahin im Blitzen entschied. Im Finale unterlag er allerdings Hagen Poetsch. Seine erspielte Punktzahl: 2 aus 5 (mit vier Remisen). Mein Ergebnis damals: 4 aus 5. Denn: in der Schlussrunde kam ich gegen Maxi Arnold aus Karlsruhe nicht über ein Remis hinaus (Maxi ist jetzt etwa 24 Jahre alt, damals also wohl 20, hat eine Elo von über 2200, damals und heute, und erspielte in diesem Jahr Platz 5 in Der A-Gruppe; auch er also „Wiederholungstäter“). Ich landete dennoch außerhalb der Preisränge — während Telljohann als Finalverlierer dennoch auf 2 einging —, da mit das Remis gegen ihn als 0 angerechnet wurde (Turnierleiter Thomas Wiedmann als „typischer Beamter“ lässt nicht mit sich verhandeln; alle Verlierer im Blitz bekommen eine Null, obwohl sich alle Teilnehmer einig sind, dass man einen halben Punkt bekommen müsste, den man ja auch erspielt hat; Wiedmann: „Verloren ist verloren. Blitz oder Turnierpartie. Punkt.“). Ausgeschieden ist man, aber mit einem Remis für die Tabelle und Fortsetzung des Turniers. Das wäre doch entsprechend Jedermanns Logik?
2014
Im Jahre 2014 dann der historische Sieg, in Wiesbaden-Niedernhausen, erstmals. Wobei die Anreise dorthin in jenem Jahr schon kurios war: Auto gemietet, vom Berliner Schachverband finanziert. Gut. Aber: Abgabe desselben in Wiesbaden am gleichen Tag. Natürlich. Warum sollte man ihn ein paar Tage auf dem Parkplatz stehen lassen und dafür blechen? Von der Abgabestelle die Odyssee: mit der Straßenbahn zum Bahnhof, dort zur Überbrückung der Wartezeit einen kleinen Einkauf getätigt, mit Wasser und ein paar Snacks, für Abends auf dem Hotelzimmer, glücklicherweise am Bahnhof mit zwei lokalen Schönheiten ins Gespräch gekommen, die ebenfalls Niedernhausen als Fahrziel angaben, die Fahrt selbst also recht angenehm, am Bahnhof Niedernhausen jedoch in den Bus, der Fahrer kannte anscheinend den Weg nicht (den Einheimische ihm erklären mussten), und irgendwann hieß es denn — waren es noch immer die Mädels? Gut möglich — „hier müsst ihr raus“. Nun stiegen noch ein paar andere Fahrgäste mit aus, alle liefen in irgendwelche Richtungen, aber einer hatte dann wohl ein Handy mit „Navi“ dabei. Wir identifizierten uns alle (etwa sieben Personen) als Schachspieler mit dem identischen Reiseziel.
Der Mann mit dem Handy (gerade bei der Bundeswehr, wie sich herausstellte) erklärte uns den Weg: wir waren falsch gelaufen (er auch) und es ging reichlich in die andere Richtung, über Berg und Tal, bei brütender Hitze. Da wir nun gar nicht darauf vorbereitet waren — Ulf und ich — und zudem die Einkaufstour das Reisegepäck erheblich „erschwerte“, weiterhin die Berganstiege — es ging wohl fast nur bergauf — für ältere Männer (wie mich) nicht mehr als reine Vergnügungstour anzusehen sind, fragte mich irgendwann mal mein so jugendlicher- und bundeswehr-gestählter Begleiter, ob er mir nicht die eine Tasche abnehmen könnte, da ich wohl, wie ich vermute, dem Zusammenbruch nahe aussah. Darauf stieg ich gerne ein und so hat er mir wohl das Leben gerettet. Martin Sebastian, der internationale Schiedsrichter aus Friedersdorf, wollte uns bei Ankunft zwar die Laune aufbessern, indem er uns ein „na, da bleibt man doch in Form“ zurief, was ihm jedoch so einfach nicht gelang. Immerhin fanden wir in der Hotel Lobby ein schattiges Plätzchen und schauten ein Spiel der WM an, die gerade begonnen hatte, in feinen Sesseln und mit Service, der erst einmal anderthalb Eimer Wasser herankarren musste.
Dennoch hatte Martin Sebastian wohl teilweise recht: wir waren in Form gekommen. Wie sonst beide Berliner bis ins Finale? Ich erzielte jeweils glatte Siege, Ulf musste einmal in den Blitzentscheid, war dadurch aber nicht aufzuhalten. Die Finalpartie war eigentlich lange Zeit recht einseitig. Mein Eröffnungsexperiment mit Schwarz ging in die Hose und Ulf drückte so lange, bis er einen Bauern eroberte. Ab diesem Moment jedoch — man muss sich nur mit dem Verlust abfinden und einen günstigen Moment suchen — kippte die Partie. Er wähnte sich vielleicht etwas zu früh auf der Siegerstraße, während ich, als angeschlagener Boxer sozusagen, nichts mehr zu verlieren hatte und meine Chance suchte. Die Partie drohte sogar, endgültig und komplett in meine Richtung zu verlaufen, aber ein studienartiger Schluss bescherte ihm noch das Remis.
Im Blitzentscheid waren Nerven und Glück Ausschlag gebend. In der ersten Partie zeigte ich sie jedoch noch, als ich bereits in klarem Vorteil befindlich plötzlich in ein Mattnetz geriet und nichts mehr löten konnte. 0:1. In der zweiten Partie hatte ich erneut klaren Vorteil, weil Ulf einen schlimmen Fehler machte. Qualitätsvorteil und weit und breit kein Gegenspiel. Oder? Auch hier folgte Ulf eher einer Einladung. Aber trotz zwischendurch höchst brenzliger Stellung: sie hielt und auch der Zeitvorteil machte sich bemerkbar. 1:1. In der dritten Partie dann lange Zeit Ausgleich, in einer etwas undurchsichtigen Stellung, plötzlich eine Menge Leben drin und trotz nicht einwandfreier Kalkulation und Gewinnführung: der Sieg ging an mich.
2015
In 2015 dann ebenfalls eine Serie guter Siege, bis zum Halbfinale. Man gewöhnt sich irgendwie ganz gerne ans Gewinnen? Dort traf ich auf Björn Bente vom Hamburger Schachklub. Elo um die 2270. Ein erneutes Eröffnungsexperiment der unerfreulichen Ausprägung: klarer Vorteil auf seiner Seite, ich sogar mit Weiß in dieser Partie. Ich steuerte geradewegs auf eine Null zu, als mir spät doch noch etwas einfiel und die Partie auch hier sogar zu kippen drohte. Das war schon stark von mir, darf ich in dem Falle ruhig mal so sagen. Als wir den 40. Zug erreichten und neue Bedenkzeit verteilt wurde, meinte ich, nun mal ausgiebig nachdenken zu können. Der Traum vom Vorteil war jedoch so, wie es der Name schon sagt: ein Traum. Ich musste noch immer das Remis erzwingen, was jedoch kein Problem sein sollte. Eine Art Zugwiederholung, welcher er schwerlich ausweichen konnte, oder doch die Abwicklung? Irgendwann schaute ich auf die Uhr und stellte fest: „Oh, nur noch sechs Minuten übrig; dann muss ich wohl jetzt einen Zug machen?“ Der Zug war der Fehler. 0:1. Halbfinale verloren, Björn Bente schnappte sich den Pott am nächsten Tag, gegen Jonah Krause. Mir blieb nach einem Schlussrundensieg (somit: 4 aus 5) noch immer Rang 3.
2016
Für das Finalturnier 2016 das oben beschriebene „historische Scheitern“, mit der Viertelfinalniederlage gegen Thorsten Groß, wobei ja, selbst wenn ich den Gewinn gefunden hätte, noch das Halbfinale bevor stand. Abgesehen davon meine Erkenntnis insgesamt: dass ich so oft dabei war ist und war auch zum Teil Glück. Also kann es durchaus auch mal andersherum laufen, ohne dass man sich zu beklagen hätte.
Für den diesjährigen Deutschen Pokal gelang die Qualifikation wieder recht deutlich. Wobei ich zwei Mal die Chance nutzte, ein frühes Remis anzubieten (gegen Heinrich Burger und Felix Nötzel), auf welches die Gegner eingingen, jedoch beide Male im Blitz die Entscheidung ziemlich klar zu meinen Gunsten fiel.
2017
In diesem Jahr also ein weiterer Anlauf auf den Deutschen Cupsieg. Alles wie gehabt: gute Partie in Runde 1, gewonnen. Gute Partie in Runde 2: ein weiterer Sieg Viertelfinale. Der Gegner: Turnierfavorit Hagen Poetsch, ich auch noch mit Schwarz. Die ganze Nacht rechnete ich irgendwelche Varianten durch, was ich spielen könnte/sollte. Dabei versuchte ich gar, Partien zu rekonstruieren, die ich jüngst gesehen hatte und die als Eröffnungswahl vielleicht in Frage kämen. Anstatt vielleicht einfach zu schlafen? Die Wahl fiel auf Paulsen. Ja, tatsächlich. Sizilianisch, Paulsen Variante (oder heißt das „Paulsen System“?). Und das habe ich fast nie gespielt. Untervariante: Taimanov. Das habe ich garantiert noch nie gespielt. Und auch noch ein offeneren Sizilianer gegen Angriffsspieler und Theoriehai Poetsch? Kann doch gar nicht gut gehen.
Oder kann doch: alles lief gut, der Ausgleich war erzielt, das Endspiel erreicht, die Form überragend. Im 40. Zug von ihm dann der letzte Versuch, eine leichte Initiative festzuhalten. Bei mir gute drei Minuten auf der Uhr, er unter einer. Das heißt ja auch manchmal was? Sein Zug war untauglich, die Partie im Prinzip sofort remis, aber der Zug sogar von mir erwartet. „So erreicht er gar nichts.“ Dennoch urplötzlich eine Art „Umentscheidung“. So oder so kann nichts passieren. Er war schon aufgestanden — 40 Züge voll. Ich musste noch und zog und stand auf und ging Richtung Toilette. Auf dem Weg wurde mir allmählich klar, was ich angerichtet hatte. Ich traf auch ihn, der das gleiche Bedürfnis zu erledigen hatte. Er wusste noch nichts von seinem Glück. Ich ahnte es. Als ich zurück kam war es geschehen: gleich aufgeben oder noch einen Zug? Na gut, den einen Zug noch. Die Antwort darauf, die Aufgabe. Partie weggeworfen. Er sprach direkt von „Glück“, aber ich konnte ihn beruhigen: ich empfand es noch nicht einmal so. Denn: ich hatte davor schon einen unüberlegten Zug gemacht, der ihm überhaupt diese Initiative ermöglichte und, wie der Computer zeigte, ihm sogar einen möglicherweise entscheidenden Vorteil eingebracht hätte. Da ich das zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste, wird hier nur meine gute Einschätzung der Lage bestätigt: man muss einfach ALLE Züge gut machen gegen so ein Kaliber. Einzelne Aussetzer sind nicht zu verkraften. Ob nun auf das Schlafdefizit zurückzuführen bleibt offen.
Am Nachmittag ein weiterer Sieg, der allerdings nach einer kurzen Erholungsphase erzielt wurde, aber dennoch gegen das Prinzip „Schlafmangel als Ausrede“ spricht. Ich war gut drauf, die eine Niederlage gegen den besseren Spieler nach hartem und gutem Kampf. Das geht schon so. Auch am Samstagmorgen eine konzentrierte, starke Leistung von mir, mit Schwarz gegen Seyfried (Elo 2136). Hagen Poetsch gewann beide Runden ebenfalls, aber jeweils nur im Blitz.
So bin ich also bei all meinen Teilnahmen entweder Sieger geworden oder bin gegen den späteren Sieger ausgeschieden. Nur einmal (Telljohann) bin ich im Blitz gegen den späteren Zweitplatzierten ausgeschieden. Die 20.5 aus 25 stehen, so oder so, und waren geeignet, meine Eloverluste über die Jahre bei diesem einen Turnier regelmäßig aufzufangen.
Dringend zu erwähnen ist noch das Abschlussbankett. Die Siegerehrung dort eingebettet und so, wie auch die Rundenvoransprachen, stets von Dr. Dirk Jordan geleitet, der einfach reden und erzählen kann und man beim Zuhören sicher nicht müde wird. Auch die Beifallsmomente werden von ihm gut abgepasst und eingeleitet, was bei anderen Rednern oft zur Qual wird: man würde ja gerne dem Geehrten oder wie auch immer Erwähnten gerne den Beifall zukommen lassen, aber wie und wann soll man nur, wenn der Redner dafür keinen Platz und Moment anbietet?
Jedenfalls ist diese Abschlussveranstaltung eine jener, die man einfach mal erlebt haben muss, um sich dann garantiert zu entscheiden: im nächsten Jahr will ich wieder dabei sein. Es ist natürlich im Preis inbegriffen, für alle Teilnehmer, nur Begleitpersonen hätten extra zu zahlen sowie die Getränke gehen auf die eigene Kappe. Es lohnt sich aber unter allen Umständen. Nicht nur das Ambiente selbst, in dem vom Turniersaal zum Veranstaltungssaal umfunktionierten, das Buffet, die Nachspeise, die eingebauten kleinen Unterbrechungen, die Ehrungen, in diesem Jahr eine Fragerunde mit dem neuen DSB-Präsidenten Ulli Krause, rundherum gelungen. Da Chessbase als Sponsor auftrat, gab es nebenbei noch eine Reihe kleinerer, mittlerer bis großer Preise zu gewinnen. So erhielt ich das komplette Chessbase 14 Paket, mit einem Jahr Premium Mitgliedschaft, im freien Handel für 279.90 Euro angeboten, als Drittplatzierter, zusätzlich zu den 100 Euro Preisgeld.
Insofern also an dieser Stelle: Werbung für diese komplette Veranstaltung und es lohnt sich sicher, in Berlin sein Glück im Pokal zu versuchen oder auch eines der sechs Qualifikationsturniere mitzuspielen – auch jene über fünf Runden von Donnerstag bis Samstag. Ab diesem Jahr sind es übrigens sieben Qualifikationsturniere. Man sucht sich dann vielleicht das eine am günstigsten gelegene heraus? Allerdings ist die Quali selbst – trotz garantierter Einstufung in die richtige Elo-Kategorie, man spielt also sicher unter seinesgleichen – alles andere als ein Selbstläufer. Insofern wäre möglicherweise eine zweite Teilnahme erforderlich?! Der Tipp wäre auf jeden Fall: einfach mal versuchen. Wenn es klappt, dann kann man so viel versprechen: es macht süchtig und man versucht es wieder.
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Dirk Paulsen
Einleitungstext: Frank Hoppe